Hi Optimus,
Ich kann Dir Langzeiterfahrungen eher mit Alkohol als mit Zigaretten anbieten. Hier ein Versuch.
Mein Suchthirn wird die angenehmen Verknüpfungen mit meinem Suchtmittel ein Leben lang speichern, davon bin ich fest überzeugt. Ich bin heute absolut der Meinung, dass ich nie wieder kontrolliert Zigaretten rauchen kann ohne binnen kürzester Zeit in mein altes Suchtverhalten zurückzufallen. Solange ich diese Überzeugung nicht habe und kultiviere, bin ich jeden Tag rückfallgefährdet, auch noch nach 20 Jahren.
Wenn Schmachter kommen, nutze ich im Augenblick meine Abwehrwaffen wie: schieben, 24h-Prinzip, mir mein TB anschauen, mir die Konsequenzen vor Augen führen (die miesesten habe ich mir aufgeschrieben), mir die Vorteile vom NMR klar machen (die besten habe ich auch aufgeschrieben), hier im Forum schreiben, anschauen was mein Problem ist. Es gibt eigentlich nur ein paar Dinge bei mir, die Schmachter auslösen.
Das sind: Hunger, Wut/Agressionen, Einsamkeit, Langeweile, Müdigkeit, emotionale Probleme, Nähe, Rauchergeselligkeit, Belohnen. Diese Punkte schaue ich mir bei Schmachtern an und versuche sie zu beheben, bzw. neue, bessere Verhaltensweisen zu entwickeln und zu üben.
Wenn ich das nicht kann, kommen die Abwehrwaffen. Mein Gehirn reagiert z.B. bei Alkohol sofort mit den Abwehrwaffen. Ich glaube, man kann diese Strategien im ersten Jahr gut üben und verfestigen. Für die langfristige Suchtmittelabstinenz hat mir folgendes geholfen:
Ich habe mich mit dem Thema auch nach dem 1. Jahr immer noch beschäftigt und bin weiter in Selbsthilfegruppen gegangen. Ich habe über das Thema immer wieder gelesen, mich mit anderen Suchties ausgetauscht. Ich habe Anderen mit derselben Sucht versucht zu helfen, einfach um das Thema jeden Tag in meinem Bewusstsein präsent zu halten: „ich bin süchtig, ich werde nie mehr kontrolliert rauchen können“. Ich hoffe, dass mir das auch für das Rauchen hier im Forum gelingt. Das Forum hat für mich eine ähnliche Funktion wie eine SHG. Langfristige SHGs habe ich allerdings noch nicht für Raucher gefunden. Es gibt wohl ein kostenpflichtiges Rauchertelefon, wo man sofort mit jemandem sprechen kann, wenn man Suchtdruck hat, ich halte das aber für schwierig, weil im Gegensatz zu SHG oder Forum erst mal eine Vertrauensbarriere da ist. Häufig hilft es aber bei Problemen einfach mit guten Freunden zu sprechen, denen man vertraut. Mein Problem ist nicht die Sucht, mein Problem ist, das ich nicht ausreichend gelernt habe mit den Auslösern umzugehen.
Fazit: Ich werde ein Leben lang meine Suchtstruktur behalten und sollte mir das, wenn möglich jeden Tag bewusst machen, um die Verteidigungsstrukturen, die ich im ersten Jahr geübt habe, abrufbereit zu haben, wenn ich in Versuchung gerate.
Was Deinen Rückfall angeht, erscheint mir das aber wirklich der Klassiker zu sein. Heirat und Kind waren nach meinem Auszug zuhause schon mit die größten Einschnitte, die ich so in meinem Leben erlebt habe. Du glaubst nicht, wie viele Zigaretten ich bei meiner Hochzeit und bei/nach der Geburt meines ersten Sohnes geraucht habe. Ich hatte, vermutlich genau wie Du, Muffensausen ohne Ende. Da Du auf so eine Situation nicht vorbereitet warst, hat sich Dein Suchthirn gemeldet und gesagt: Null Problemo, ich habe da was. Der Rest ist Geschichte.
Ich versuche gerade zu lernen, welche Schmachter einfach von assoziativen Situationserinnerungen kommen und welche mit aktuellen Lebensproblemen oder Ängsten zu tun haben, vor denen ich mich vielleicht gerade mal wieder drücken will. Wenn ich sie erkannt habe, kann ich Lösungen finden, wenn nicht, laufen die oben erwähnten Abwehrstrategien. Je ehrlicher ich zu mir in diesem ganzen Spiel bin, desto besser sind meine Gewinnchancen.
Hoffe, ich konnte Dir helfen.
LG, Eckhard