Liebe Mickie,
danke ´wie jedes Mal für Deine Worte.
Ich bin tatsächlich beim Schnell-Lesen ein Stück stehen geblieben und mit dir am Meer entlag gegegangen.
Es ist verrückt, aber ich leite selbst solche Entspannungskurse an - und merke jetzt, wie sporadisch ich diese Fähigkeit in den Alltag umsetzen kann.
Klar, wenn man sich eine Stunde auf die Matte legt und Jemand mit sanfter Stimme etwas vorsäuselt, da kann die Mehrheit entspannen. Aber so stückchenweise in den Alltag integrieren - das ist die Kunst.
Was Du über Dein persönliches Glückstagebuch sagst, mache ich ebenso paradoxer weise für meinen Sohn: Was hat Dir heute am besten gefallen...?
Für mich selbst mache ich es garnicht. Da ist zu viel Druck in mir - zu viel Voraussicht gen Pflichten, die da warten, Situationen, die gemeistert werden wollen. In denen es meist, so meine bisherige Herangegehnsweise, natürlicher Härte bedarf.
Sich seines kleinen Glücks bewußt zu werden erfordert ja ein Stück Weichheit, Ruhe und Demut. Die Zufriedenheit kommt ja erst danach, wenn man vermehrt kleines Glück gesehen hat und sich seiner gewahr wird.
Mir ist das Thema in einem Telefonat mit meiner SChwester unter gekommen. Ihre Söhne sind jetzt schon 30 - und aus einer kleinen Wehmut heraus sagte sie: "Bei all den Problemen und Kämpfen in der Erziehung, so ist es doch schade, dass man so wenig auf die positiven Seiten des Kindes schaut - darauf, wieviele Geschenke man jeden Tag bekommt."
Dies sagte sie auch auf meine Erläuterungen bezüglich des Themas "Trocken werden".Ja, das läuft nicht gut - aber 10000 andere Sachen laufen richtig gut.
Irgendwie wurde mir dabei einer meiner Grundgedanken bewußt, der auf mich und bedingt auf meinen Sohn zugleich zutrifft:
Ganz tief in mir - unter all den Selbstzweifeln, der Trauer, der Einsamkeit, da weiß ich, dass ich ein ganz besonderer Mensch bin - und das viele Kämpfe und Disharmonien auch dadurch entstanden sind: dass da eben ein besonderer Kern in mir steckt - wie in jedem Menschen.
Dessen bin ich mir bei meinem Sohn ebenso bewußt und glaube, dass ich dem manches Mal zu wenig Beachtung schenke.
Diese Selbstzerfleischung, die ich manches Mal mit mir betrieben habe, die beinahe schon mein Wesenszug ist, die möchte ich meinem Sohn ersparen.
Und ja, vielleicht geht das durch ein Gewahrwerden des Positiven, das in einem steckt.
Und wenn, wie in meinem Fall, ein Gegenüber dieses Positive beinahe hat vernichten können, so ist es nicht vollkommen verschwunden. Aber zu spüren, wie stark verletzt man wurde, und dennoch das Positive zu sehen, das ist eigentlich eine menschliche Kraft, die mir die Tränen in die Augen treibt.
Es gibt eine - oder zwei sehr pragmatische Problemfelder, die ich hier noch ansprechen möchte, weil sie mich sehr stark daran hindern, ganz natürlich dem Positives zu zu streben.
Ich habe bis zu meinem 20 Lebensjahr Leistungssport betrieben. Daher auch erst nach dem Ende begonnen zu rauchen.
Tief in mir steckt jedoch dieses starke Leitungsstreben, das Gefühl nur ernst genommen und geliebt zu werden, wenn man Leistung bringt.
Jedenfalls habe ich viele Veränderungen erst nach dem 20 Lebensjahr durchgemacht. Eben auch die Veränderung des Körpers einer Frau.
Zu dieser ZEit begann meine Essstörung, da ich viel zunahm und das nicht tolerieren konnte.
Es gab starke Phasen - musste einmal in eines psychosomatische Einrichtung - dann jahrelang gute Phasen während des Studiums. Nach einer Liebesgeschichte eine radikale Hungerkur über längere Zeit, die mich sehr stark verändert und verhärten hat lassen. Ich glaube auch, das meine Unfähigkeit Nähe zum ,anderen GEschlecht aufzubauen aus dieser kalkulierten Konstellation entstanden ist, die ich naiv eingegangen bin.
Naja, faktisch sieht es so aus, dass ich mich am sichersten gefühlt habe und das noch immer tue, wenn ich so wenig wie möglich gegessen habe. Dazu diente auch das Rauchen in erster Linie: Hunger weg rauchen. Und die größte Angst ist sehr klar, dass man zunimmt beim Rauchstop. Ich kann das bedingt tolerieren, aber eben nur bedingt. Es ist die größte Gefahr für einen Rückfall, wenn ich mich unförmig fühlen würde. Und dabei gehts nicht um 1 kg mehr oder weniger.
Ich schriebe darüber hier erneut so offen, weil ich mich gestern damit konfrontiert gesehen habe.
Normalerweise ist es eigentlich mit Ausnahme der SChwangerschaft so gewesen, dass ich immer restriktiv gegessen habe. Zwischendurch gab es dann zwangsläufig Futterattacken, die aber lange nicht so schlimm wie früher waren. Einen normalen Essensrhythmus hatte ich teilweise mit meinem Sohn - aber da war es auch oft so, dass ich nicht mit Genuß mitgegessen habe, sondern nur einen Salat. Ich tue das aus dem Wissen heraus, ich muss die Zügel in der Hand halten. Restriktion und Kontrolle befähigen mich vermeintlich dazu. Ich kann Rumgemotze an mir abprallen lassen, ich kann den Haushalt mal schnell zwischendurch machen, habe noch Power abends ne Runde joggen zu gehen und kann im Kontakt jeden an meiner Fassade abprallen lassen. Klingt jetzt krass - hat sich schon niveliert - zwangsläufig, weil man die Latte mit Kind irgendwann runter setzen muss. Dieser Anspruch steckt aber noch immer in mir - sicher, geschützt, aktionsbereit und unangreifbar zu sein. Ist ja auch ein logischer Überlebensinstinkt, wenn man in wesentlichen Situationen seines Lebens als Frau allein gelassen wird. Das war so als mein Vater starb als ich 10 Jahre alt war und als sich der Vater meines Sohnes direkt bei Bekanntwerden der Schwangerschaft von mir getrennt hat.
ICh verstehe also mein rigides Regime - ich hätte niemals noch die Umschulung zur Physiotherapeutin - den Umzug in meine Geburtstadt und den Aufbau eines neuen Bekanntenkreises geschafft.
Das ist auch alles recht passabel - aber irgendwo weich sein - meinem kleinen Glück fröhnen, mich aufgehoben und geborgen fühlen - das kann ich nirgendwo.
Nun war die SItuation gestern, dass ich den seid vier Jahren einzigen Mann getroffen hatte beim Tanzen, der mir wirklich zu sagt. Es gab da hin und wieder leichte Annäherungen, aber nichts wichtiges.
Jedenfalls hatten wir sehr schnell was miteinander, weil seine Frau sich von ihm getrennt hat und er die beiden Söhne hauptsächlich erzieht.
Es war ein ständiges Hin und Her - mit den letzlich harten Worten, dass er nicht beriet sei für etwas Neues und dann wohl auch nicht mit JEmandem wie mir !!!! Das ist zwei Monate her. Ich habe den SOmmerurlaub mit einer Freundin damit verbracht, darüber hinweg zu kommen, weil sie Ähnliches erlebt hat.
Nun war es die letzen Male, wenn wir uns abends beim Tanzen gesehen haben, dass er sich mir erneut angenähert hat. Es hat mich gewundert, mir geschmeichelt, aber ich war vorsichtiger als beim Anfang. Zwischendurch lief wohl wieder etwas mit seiner Frau und nun anscheinend nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, weil er mit mir darüber nicht mehr spricht, nachdem ich alle Brücken abgebrochen habe, als er meinte: "... nicht mit Jemandem wie Dir!!!"
Gestern abend war er jeden Falls mit einem seiner Söhne beim Tanzen - ist da so üblich, das man Kinder mitbringen kann. Es war nett - und ich spüre, dass ich mich noch immer zu ihm hingezogen fühle. Da er mich aber mit so harten Worten abgewiesen hat, wage ich momentan kaum Annäherung. Es ist mir schon schwer gefallen mit seinem Sohn ein bisschen zu tanzen. Weil ich Angst habe, es kommt wieder so ein radikaler SChlag von ihm.
Naja, dementsprechend aufgewühlt bin i´ch an dem Abend nach Hause.
Und dann war es so, dass ich das erste Mal seid Wochen unglaublichen Hunger verspürt habe - auch das erste Mal nach dem Rauchstop. Ich habe mit Genuß die restlichen Kartoffeln und Nudeln gegessen. Ich hatte einfach Hunger - und nicht nur das Bedürfnis nach Nähe. Normalerweise wäre mein Drang sehr groß gewesen, ihn nochmal anzurufen und irgendwas an Nahrung von ihm zu bekommen. Irgendwie war ich stolz auf mich - auch wenn es mir den Tag danach schwer fällt - dass ich meinem Primärbedürfnis nach gegangen bin.
Jetzt, am Tag danach fühle ich mich ganz gut - aber das Sekundärbedürfnis nach Nähe ist ja nicht gestillt.
Waren auf einem schönen Fest. Ich hatte dann diesen Mann doch noch kontaktiert, ob er mit seinen Jungs mit möchte. Aber dies ging nicht so spontan, weil andere Pläne dazwischen standen.
Jedenfalls gibt es starke Verbindung zu diesen Emotionen, die jede Beziehung ausmacht, aber insbesondere Liebesbeziehungen und der Bezihung zu sich selbst - ganz existentiell, wie man sich nährt.
Ich weiß nicht, ob Jemand das Alles nachempfinden kann oder auch kennt. Ich denke schon, dass es da Einige gibt. Einen Austausch mit Euren Gedanken fände ich sehr hilfreich.
LIebe Grüße
Maria